We are thrilled to invite you to the video presentation of multimedia artist Cory Arcangel!
CORY ARCANGEL
F1 RACER MOD (aka Japanese Driving Game)
GON STORE
MARC-AUREL-STRASSE 5, 1010 VIENNA
OPENING
WEDNESDAY, 2ND MARCH 2022
12AM – 10PM
The video is on view until Summer 2022.
CORY ARCANGEL
Title: F1 Racer Mod (aka Japanese Driving Game)
Year: 2004 Medium: Modded FamiCom game cartridge.
Elevator pitch: Just the road from a racing game.
Von der Beat Generation zur Bit Generation: Perspektiven auf Cory Arcangel.
Während Computer in der Regel leisten, dass etwas, das noch nie gesehen wurde, die Augen öffnet, kann die Kunst Geschichten sichtbar machen, indem sie Schichten abträgt. Cory Arcangel kann beides. Er entzieht der Technologie virtuos ihre Teleologie, wenn er in „F1 Racer Mod“ einem klassischen Driver Game das angeblich Wesentliche – das Auto und dessen Fahrer oder Spieler – von der Straße weg programmiert und so nicht mehr Ziel, Gewinn oder Fortschritt, sondern den leeren Weg Richtung Zukunft in den Blick bringt: „The only winning move is not to play“, wie es in WarGames, jenem frühen Film über die Konsequenzen von Computerspielen und -simulation von 1983 heißt.
Cory Arcangel geht damit aber auch zurück zu Jack Kerouacs On the Road (1957), jenem Schlüsselroman der Beat Generation, in dessen Treiben die Westwärtsbewegung der Siedler und das ständige Streben nach der Frontier zugunsten des Unterwegsseins in Frage gestellt werden. Es ist kein Zufall, dass eben dort, wo sowohl die Siedler als auch die Beatniks sowohl ihre Grenzen als auch die des Pazifikstrands stießen, bald darauf Silicon Valley entstand und auch kein Zufall, dass das Fahren eines der ersten Opfer der Computersimulation und (Daten-)Highways die ersten schlechten Metaphern für das Internet wurden.
Wir wissen also, wohin Cory Arcangels Straßen führen. Aber wo kommen sie in ihrer geradlinigen Endlosigkeit her? Medien und Kunst erzählen seit jeher ihre eigenen Geschichten, ob wir das wollen oder nicht. Der Blick auf die Straße, die Ich-Perspektive Arcangels kommt aus der historischen Tiefe der Frührenaissance: Im 15. Jahrhundert entwickelten Filippo Brunelleschi und Leon Battista Alberti erstmals technische Konstruktionsverfahren der Zentralperspektive. Während Brunelleschi Apparaturen wie eine „camera obscura“ zur Herstellung perspektivisch korrekter Bildräume benutzte, ging Alberti den entscheidenden Schritt weiter und publizierte in Della pittura (1435-36) eine auf der antiken Geometrie Euklids basierende Vorstellung jeder Wahrnehmung als auf konstruierbare geometrische Elemente reduzierbar. Maler und Konstrukteur, Künstler und Programmierer sind von Brunelleschi bis Arcangel eins. Ohne diese Zusammenführung von Mathematik und Kunst in der Renaissance gäbe es heute weder Computer noch Computerspiele, weil sowohl die technischen Grundlagen als auch die Vorstellungskraft für einen dreidimensionalen Raum im zweidimensionalen Bild fehlen würden. Die Illusion der perspektivischen Tiefe des Raums ist der Fluchtpunkt der Medien- und Kunstgeschichte von „F1 Racer Mod“. Alles das in der Einfachheit der Weglassung eines Autos.
Als erste zeitbasierte Arbeit wird „F1 Racer Mod“ jetzt in dem besonderen Raum gezeigt, den GON in Wien betreibt und zur Gänze von Künstler*innen gestaltet ist. Arcangels „Mod“ trifft auf GONs Mode, die in ihren Pattern ebenso endlose Schichten von Geschichte enkodiert. Die aus diesem Anlass entworfenen Hosenanzüge wiederum sind sicherlich die Renntrikots, die wir als Pilot*innen der ziellosen Rennen in den postdigitalen Räumen tragen. Sie sind alles andere als stromlinienförmig, sondern fallen aus Renaissancefluchtlinien in barocke Falten und monochrome Geometrie.
© Paul Feigelfeld